Albanien – seid ihr verrückt?

Albanien-Seid ihr verrückt?

So oder so ähnlich waren die meisten Reaktionen unserer Freunde und Bekannte nachdem diese die Antwort auf die Frage nach unserm nächsten Reiseziel bekamen.
Doch keiner von denen hatte jemals das kleine Land auf dem westlichen Balkan besucht. Allenfalls zu Militärzeiten im Kosovo Dienst verrichtet.

Wir waren uns nach kurzen Recherchen aber einig dieses ursprüngliche, lange Zeit verschlossene Land zu bereisen. Wir nahmen uns 5 Wochen Zeit, somit konnten wir die Anreise über den Balkan bereits entspannt angehen.

Unsere Route führte uns mit Zwischenstopps in Österreich, Slowenien, Kroatien, Bosnien und Montenegro an den Skutarisee im Norden Albaniens. Bereits auf der Anreise waren wir begeistert von der grandiosen Landschaft und den tiefblauen Seen. Nur beim Pistenfahren im Hinterland von Split kann es einem mulmig werden, wenn am Straßenrand gelbe Hinweistafeln auf vermintes Land hinweisen.

Ab der albanischen Grenze ändert sich alles. Plötzlich findet man sich wieder in einem fast arabisch anmutenden Gewimmel auf den Straßen. Dazu passt der Ruf des Muezzin in dem hauptsächlich muslimisch geprägten Land. Obwohl Albanien als Muster für Religionsfreiheit zählen kann. Alle großen Religionen leben hier friedlich nebeneinander. Auf den Straßen wechseln sich alte Mercedes Benz mit Eselkarren ab. Das einzige negative was sofort nach Grenzübertritt auffällt ist die starke Vermüllung an vielen Plätzen und der Geruch von verbranntem Müll. Dieser Geruch erinnerte uns sofort an die Townships Südafrikas, wo er allgegenwärtig ist.

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Unsere erste Anlaufadresse in Albanien ist das Lake Shkodra Resort. Ein wirklich schön angelegter Campingplatz direkt am See und Anlaufpunkt der meisten Albanienreisenden. Hier können wir Informationen austauschen und uns auf die nächsten Wochen in diesem Land vorbereiten. Es wird auch für die nächsten Tage der letzte Campingplatz sein den wir anfahren. Selbst wenn wir möchten, so werden wir erst wieder Campingplätze am Ohridsee finden. Die Albaner haben das Reisen für sich noch nicht entdeckt und Ausländer kommen noch immer recht wenige ins Land.

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Was sofort in den ersten Tagen auffällt ist die extreme Gastfreundschaft der Albaner. Auch dies typisch für muslimisch geprägte Länder, aber hier noch verbunden mit dem wirklichen Interesse an Fremden. So überrascht es uns nicht, dass als der Bankautomat uns keine Geld geben will der Bankdirektor unaufgefordert zu uns vor die Tür kommt um zu helfen. Ein anderes Mal kommen wir vom Börekkauf zurück und sind überrascht, dass zwei Ladenbesitzer unser Fahrzeug bewachen damit bloß nichts passiert.

Von Shkodra entscheiden wir das Land nach Osten zu durchqueren und dann der Grenze zum Kosovo und zu Mazedonien zu folgen. Dieser östliche Landesteil ist besonders ländlich und am wenigsten Besucht. Ein Grund ist mit Sicherheit auch, dass es keine asphaltierte Straße gen Süden gibt. So beschränken sich die meisten Besucher mit PKWs bzw. ihren Wohnmobilen auf die Küstenregion.

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In Kukes, die Stadt die während dem Kosovokrieg zu Weltrum kam als sie 100.000 von Flüchtlingen aufnahm und Zeltstädte rund um die Stadt errichtete, gehen auch wir der Lieblingsbeschäftigung der Albaner nach. Dem Flanieren. Es ist gerade Wochenende als wir in der Stadt ankommen. Nach einem Abendessen in einem stadtnahen Restaurant auf dessen Parkplatz wir auch übernachten dürfen entscheiden wir uns den Massen zu folgen. Zum Flanieren werden in albanischen Städten am Wochenende extra ganze Straßen gesperrt. Da unser Hund etwas Auslauf braucht beschließen wir ihn mitzunehmen. Dies führt an diesem Tag dazu, dass wir der Hingucker des Abends sind. Mit Sicherheit erzählen sich noch heute die Kinder die Geschichte von den drei Ausländern mit dem braunen Hund, der von einem kleine Mädchen an der Leine geführt wird. Unsere Tochter fühlte sich im Mittelpunkt pudelwohl und wollte die Leine nicht wieder aus der Hand geben. Als sie dann auch noch direkt neben einer Moschee das erste Mal den Ruf des Muezzin hören konnte war sie endgültig Fan von diesem ihr fremden Land. Der Muezzin wurde dann auch gleich lautstark aufgefordert weiter zu singen. Leider ohne Erfolg.

Von Kukes führt uns die Reise nach Süden. Bis hierher waren wir auf kleinen aber asphaltierten Straßen unterwegs. Das soll sich nun für die nächsten Tage ändern. So nehmen wir eine Schotterpiste direkt entlang der mazedonischen Grenze. Vier Tage brauchen wir bis wir den Ohridsee erreichen. Der See der zu zwei Drittel zu Mazedonien und zu einem Drittel zu Albanien gehört. In den drei Tagen besuchen wir quirlige Märkte, übernachten völlig einsam im größten Nationalpark Albaniens dem Shebenik-Jabllanice. Einem der letzen Bärengebiete und zünden jeden Abend ein Lagerfeuer an.

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Der Ohridsee empfängt uns mit Sonnenschein aber stürmischem Wind. Nachdem wir auf albanischer Seite keinen wirklichen Seezugang finden entscheiden wir uns den See einmal zu umrunden. Somit reisen wir nach nur wenigen Kilometern nach Mazedonien ein. Hier finden wir einen kleinen direkt am See gelegenen Campingplatz. Nach den Tagen in den Bergren haben wir eine warme Dusche nochmal nötig. Den Abend lassen wir windgeschützt hinter unserm Camper und Sonnenuntergang überm See ausklingen. In Ohrid entschließen wir uns spontan unsere Vorräte auf dem Markt aufzufüllen. Durch diesen Zufall finden wir einen der größten Märkte der Region. Hier wird fein säuberlich zwischen Obst- und Gemüsemarkt, Fleischmarkt, Fischmarkt in einer eigenen Markthalle und dem Werkzeugmarkt getrennt. Auch das auffüllen des Dieseltanks macht bei Preisen unter 90Cent mehr Spaß als im Rest Europas.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Sees wieder in Albanien entscheiden wir uns noch einmal für eine Nacht auf einem Campingplatz. Hier sind wir die einzigen Gäste auf einem kleinen wirklich sehr gepflegten Platz.

Unsere Reise führt uns nun weiter entlang der östlichen Landesgrenze nach Süden. Eigentlich wollen wir eine kleine Piste nach Berat nehmen, sind uns dann aber doch nicht sicher ob wir durchkommen und entscheiden uns weiter entlang der griechischen Grenze nach Gjirokastra zu fahren. Unterwegs machen wir an heißen Quellen halt um ein Bad zu nehmen. Dort treffen wir ein deutsches Pärchen das uns erzählt, dass in Gjirokastra am Wochenende das größte Folklorefestival Albaniens stattfindet. Wenn das mal keine Motivation ist.

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Nach einer weiteren sehr ruhigen Nacht direkt in einem Flussbett brechen wir früh am Morgen auf um das Festival und die Altstadt zu besuchen. Dank des Festivals fällt es nicht leicht einen Parkplatz zu finden. Nach einigem Suchen finden wir doch einen direkt an der Altstadt. Diese ist wirklich sehenswert. So vertreiben wir uns den ganzen Tag hier in den Gassen der Altstadt oder auf der Burgruine. Als wir am späten Nachmittag uns auf den Weg machen kommen gerade unsere Schweizer Reisebekannten an. So können wir denen unser Parkplatz vererben, was sie mit ihrem umgebauten Skibus freut.

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Von hier wollen wir an die Küste und ein paar Ruhetage auf einem Campingplatz genießen. So langsam müssen wir auch mal Wäsche waschen und uns um eine Fähre nach Italien bemühen. Dazu eignet sich wunderbar Camping Kranea in Livadh Beach. Der Besitzer dieses kleinen familiären Campingplatz ist super hilfsbereit, sucht uns alle möglichen Fährverbindungen raus und seine Frau kocht jeden Abend für die anwesenden Gäste für kleines Geld hervorragendes albanisches oder griechisches Essen. Schnell sind wir hier mit den anderen Reisenden im Gespräch und bekommen viele Tips zu Ländern wie Rumänien, Jordanien oder dem Iran. Somit könne wir gleich neue Reisepläne schmieden. Die Tage am Meer vergehen schnell, so brechen wir bald auf um unsere Fähre in Igoumenitsa in Griechenland zu bekommen. Zuvor machen wir aber noch einen Stopp in Butrint. Einer der größten römischen Ausgrabungen auf dem Balkan.

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In Griechenland beschließen wir auch noch einmal ein paar Tage am Meer zu verbringen bevor es weiter nach Italien geht.

Albanien begeisterte uns mit seiner unglaublichen Gastfreundschaft, dem ehrlichen Interesse an Fremden und seiner authentischen natürlichen Art. Es wird bestimmt nicht die letzte Reise in dieses Land gewesen sein. Hier warten noch viele Pisten um unter die Räder genommen zu werden. Aber bei all der Begeisterung dürfen auch die kritischen Stimmen nicht fehlen. Albanien ist kein einfaches Reiseland. Man muss sich als Reisender auf dieses Land einlassen. Müll findet man an jedem Eck, arglos weggeworfen. Supermärkte sind quasi nicht vorhanden. Der Einkauf findet meist in kleinen Tante Emma Läden oder auf dem Markt statt. Ein Einkaufszettel ist nicht nötig, denn es wird das gekauft was gerade verfügbar ist. Jeder Reisende der sich auf solche Umstände einlassen kann und will wird in Albanien ein wunderbares Reiseland finden.

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